Geschichte: Die Kapverdischen Inseln während des Zweiten Weltkriegs

Ein kurzer Hinweis im Reiseführer von Holger Matthews lässt aufmerken: „Mindelo erhielt (...) im 2. Weltkrieg einmal kurz Bedeutung als Stützpunkt für deutsche U-Boote, die auf atlantischer Kreuzfahrt im Schutz der Inseln zum Luftholen auftauchen konnten, was von Portugal stillschweigend geduldet wurde.“ (1) Auch Rolf Osang berichtet aus dieser Zeit: „Deutsche U-Boote nutzten den Hafen als Stützpunkt für Fahrten im Atlantik, was Portugals Diktator und Hitler-Freund Salazar stillschweigend duldete.“ (2) Deutsche U-Boote vor Kap Verde? Den Militärstrategen des Dritten Reiches war die günstige strategische Lage der Inseln natürlich nicht verborgen geblieben. Nachdem bereits im Ersten Weltkrieg in Berlin über ein Stützpunktsystem unter Einbeziehung der Azoren, der Kapverden, Dakars und des Indischen Ozeans diskutiert worden war, beschäftigten sich auch die Nationalsozialisten mit einer Ausweitung ihres Herrschaftsgebietes auf Kolonien in Afrika. (3) Von einem ganz anderen - ebenfalls nie verwirklichten Projekt - schrieb der DDR-Wissenschaftler Heinrich Loth. Nach seinen Angaben wurden vor Beginn des Zweiten Weltkriegs deutschen Siedlern „großzügige Ansiedlungsmöglichkeiten“ auf Kap Verde sowie in Mocambique angeboten. Zudem hätten deutsche und italienische Schiffe das Recht erhalten, portugiesische und „portugiesisch-überseeische“ Häfen zu nutzen. (4)

Mit Blick auf die militärischen Siege der Deutschen Wehrmacht in Polen und Frankreich sowie der Sowjetunion 1939-1942 und das Engagement des Afrika-Korps in Libyen galt die Aufmerksamkeit bald auch West- und Mittelafrika. Dabei spielten die kanarischen und die kapverdischen Inseln eine besondere Rolle: In einem Memorandum der Seekriegsleitung vom 3. Juli 1940 war von der künftigen Notwendigkeit zahlreicher Stützpunkte entlang der Atlantikküste und im Atlantik selbst die Rede, wobei die portugiesische Kolonie Kap Verde ausdrücklich genannt wurde (5). Einige U-Boote, die während des Krieges im südlichen Atlantik und vor der Westküste Afrikas operierten, nutzten deshalb - offenbar nach Rücksprache mit Portugal - den Hafen Mindelo als Station. Da das faschistische Regime in Lissabon aber offiziell neutral war und auch Rücksicht auf den wichtigen Handelspartner Großbritannien nehmen musste, wird es sich vermutlich nur um relativ seltene Besuche deutscher U-Boot-Fahrer vor den Inseln gehandelt haben. Zudem war zu dieser Zeit dem britischen Geheimdienst die Entschlüsselung des deutschen Funkverkehrs gelungen, so dass London bald die Wege der U-Boote präzise nachvollziehen konnte. Die militärische Entwicklung in Europa machte die deutschen Überlegungen - zum Glück - bald zunichte, schon 1941 war von einer Besetzung der Inseln keine Rede mehr.

Der britische Premier Winston Churchill beschäftigte sich spätestens ab 1940 ebenfalls mit den kapverdischen Inseln. Ihm waren die deutschen Aktivitäten nämlich nicht verborgen geblieben: „Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Mindelo ein kleines Casablanca. Englische und deutsche Spione suchten in Cafes, Tavernen und Bordellen die Schachzüge der Gegenseite zu erkunden.“ (6) Nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht rechnete Großbritannien mit dem Eintreten Spaniens in den Krieg auf der Seite Deutschlands und Italiens sowie dadurch mit dem Verlust des Marinestützpunktes in Gibraltar. Als alternative Stützpunkte wurden die Azoren und die Kapverden angesehen. Schon im Juli 1940 waren die Vorbereitungen für das „Atlantic Island Project“ weitgehend vorbereitet. Zwei Marine-Brigaden erhielten den Auftrag, sich für den Einsatz in tropischem Klima vorzubereiten; der Plan für die Besetzung der kapverdischen Inseln erhielt den Codenamen „Sackbut“, später hieß er „Shrapnel“ (7).

Einige Monate später veränderte sich die Situation jedoch vollkommen: Am 29. April 1941 landeten 1.000 Soldaten portugiesische Soldaten auf den Inseln, im September folgten weitere 2.000. Im Mai 1942 waren nach britischen Angaben insgesamt 6.150 Soldaten auf den Inseln stationiert (mindestens 2.000 auf Sao Vicente, 1.000 auf Sal sowie 200 auf Santiago). Vermutlich hatte die Regierung in Lissabon das Interesse Deutschlands und Großbritanniens an den Inseln bemerkt und deshalb die Truppen geschickt. Eine militärische Besetzung der Inseln durch britische oder amerikanische Soldaten hätte jetzt zu einem Blutvergießen geführt und zudem wegen der Neutralität Portugals zu erheblichen diplomatischen Verwicklungen geführt. Auf der anderen Seite führte die Hungersnot zu einem großen Druck auf Portugal: Spätestens seit Ende 1940 war dem britischen Geheimdienst bekannt, dass auf den Inseln täglich mehr als 100 Menschen infolge der anhaltenden Trockenheit starben.

Betroffen waren neben Santiago und Sao Vicente vor allem auch Brava, Maio, Fogo und Sao Nicolau. 1942 kam es in Praia zu einer Massendemonstration, bei der die Menschen die Verteilung von Lebensmitteln forderten (8). Gleichzeitig hieß es in britischen Geheimdienstberichten, das Klima zwischen den Kapverdiern und den portugiesischen Soldaten sei „sehr unfreundlich“. Im November 1942 kam es zu Zusammenstößen zwischen Soldaten und der Bevölkerung (9). Kein Wunder: Zwischen 1940 und 1945 verhungerten auf den Inseln etwa 20.000 Menschen - weitere 20.000 Überlebende der Hungersnot wurden als Zwangsarbeiter auf die Kakaoplantagen der portugiesischen Kolonie Sao Tome e Principe geschickt. Ein weiteres Schicksal während des Zweiten Weltkriegs ist weitgehend unbekannt: 1943 stach von Brava aus das Schiff „Matilde“ in See, um Auswanderer in die USA zu bringen. Dort kam es jedoch nie an - ob es durch ein Kriegsschiff versenkt wurde oder in einem Sturm kenterte, ist nicht bekannt.

Als drittes Land neben Deutschland und Großbritannien spielte auch Italien eine besondere Rolle: 1939 - kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs - war das faschistische Regime Mussolinis auf der Suche nach einem geeigneten Landeplatz seiner Flugzeuge auf dem Weg von Europa nach Südamerika. Nachdem die deutsche Lufthansa bis 1939 die britische Kolonie Gambia für diese Zwecke genutzt hatte (anschließend wurden die Flugzeuge mit Katapultschiffen auf den Weg geschickt) und bisher nur Wasserflugzeuge die Überquerung des Atlantiks schaffen konnten, schloss Italien nun einen Vertrag mit Portugal über den Bau eines Flughafens auf der Insel Sal. Ob es hier eine strategische Kooperation mit Deutschland gab, ist allerdings nicht überliefert. Sie sollte aber auch nicht ausgeschlossen werden, denn im Mai 1939 hatten Deutschland und Italien einen Bündnisvertrag unterzeichnet. In den folgenden Jahren wurde die Landebahn in der Ebene Lagedo dos Espargos gebaut, nach dem Krieg durfte sie von Italien jedoch nicht mehr genutzt werden. Portugal kaufte das Gelände deshalb auf und baute den Flugplatz weiter aus. Heute ist der Amilcar-Cabral-Flughafen der internationale Airport der Republik Kap Verde (10).

Der Zweite Weltkrieg führte zwar nicht zu Kampfhandlungen auf den Inseln, in den Gewässern rund um Kap Verde hinterließ er aber seine Spuren. Überliefert sind einige Einsätze von U-Booten oder Kriegsschiffen: Ab 1940 unternahmen britische U-Boote (später US-U-Boote) Patrouillenfahrten zwischen Trinidad im Westen, den Kapverden und Spanien, um deutsche Schiffe abzufangen. Im März 1941 torpedierte das deutsche U-Boot 106 das britische Schiff HMS „Malaya“ nördlich von Santo Antao; das Schiff wurde schwer beschädigt in einen US-Hafen geschleppt und dort repariert. Die HMS „Malaya“ hatte zuvor die deutschen Kriegsschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ bei ihren Fahrten im Atlantik verfolgt und beobachtet. Am 4. April 1941 wurde westlich der Inseln der britische Handelskreuzer „Voltaire“ von einem deutschen Schiff versenkt.

Am 20. und 22. November 1942 befand sich das niederländische U-Boot K XIV auf seinem Weg von Colombo (Ceylon) über Simonstown (Südafrika) nach Philadelphia (USA) vor Kap Verde und griff dort - erfolglos - ein deutsches U-Boot sowie einen deutschen Frachter an. Ebenfalls westlich der Inseln wurde am 16. März 1944 das deutsche U-Boot 801 von den drei US-Kriegsschiffen USS „Corry“, „USS Bronstein“ und USS „Block Island“ gejagt und durch einen Torpedotreffer von einem Flugzeug Avenger VC-9 getroffen. Einen Tag später sank das U-Boot, die Besatzung unter Kapitänleutnant Hans-Joachim Brans hatte zehn Tote zu beklagen, 47 Männer konnten gerettet werden.

Doch auch ein japanisches U-Boot liegt vor den kapverdischen Inseln auf Grund: Am 23. Juni 1944 wurde I-52 von einem Flugzeug der USS „Bogue“ angegriffen und durch einen Torpedotreffer versenkt. Überlebende gab es vermutlich nicht. Das U-Boot sollte sich in der Nähe der Inseln mit dem deutschen U-Boot 530 treffen und dabei unter anderem größere Mengen Zinn und Gummi übergeben. Außerdem soll es etwa zwei Tonnen Gold an Bord gehabt haben. Die I-52 gehörte zu einer Gruppe von U-Booten, die zwischen Japan und Deutschland fuhren und dabei neben kriegswichtigem Material auch Unterlagen und Personen beförderten. Da aber die britischen und amerikanischen Geheimdienste den deutschen Funkverkehr mithören konnten, waren ihnen die Positionen und Treffpunkte der U-Boote bekannt, so dass sie gezielt angegriffen werden konnten.

1995 wurde I-52 bei den Kapverden entdeckt - seither läuft eine Bergungsaktion, die insbesondere das Gold aus dem Wrack holen soll. Im Internet bietet die Firma entsprechende Informationen, eine genaue Position des U-Boots wird hier jedoch nicht genannt (www.capeverdeexplorations.com).

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1) Holger Matthews: Kapverdische Inseln, Zürich 1989, S. 214
2) Rolf Osang: Kapverdische Inseln, Köln 1991, S. 192
3) Klaus Hildebrand: Deutsch-Mittelafrika - Ein Kriegsziel Hitlers in den Jahren 1940-1942, in: Manfred Funke (Hrsg.): Hitler, Deutschland und die Mächte, Düsseldorf 1978, S. 383-406
4) Heinrich Loth: Das portugiesische Kolonialreich, Berlin (Ost) 1982, S. 173
5) ebd.
6) Rolf Osang, a.a.O., S. 192
7) Angaben zu den britischen Plänen bei Basil Davidson: The fortunate Isles, Trenton 1989, S. 54-59
8) Foto der Demonstration siehe bei Rolf Osang, a.a.O., S. 29
9) Angaben nach Richard Lobban/Marlene Lopes: Historical Dictionary of the Republic of Cape Verde, Lanham 1995, S. XXXIX
10) Angaben zum italienischen Engagement auf Sal siehe Rolf Osang, S. 66
Arne Lund
6.12.2003