Die Kapverden – Inseln der Glückseligkeit oder Kap ohne Hoffnung?

So viel Unterschiedliches lasen wir, bevor wir uns im März 2001 zum ersten Mal aufmachten, uns unser eigenes Bild zu machen.

Das Ziel unserer ersten Reise auf die Kapverden war Santo Antão. Die erste Nacht unter kapverdischem Himmel verbrachten wir in Espargos, wo sich das Restaurant 'Dinamica' mit seinen Gerichten vom Holzkohlengrill als 'kulinarische Perle' erwies. Am nächsten Tag ging’s weiter nach São Vicente, wo wir Mindelo eher als beschauliches Städtchen, und nicht als das von Césaria Evora besungene 'kreolische Rom' kennen lernten. Die bedeutenden Zeiten scheinen hier der Vergangenheit anzugehören. Wer ein Schmuckstück kolonialer Architektur bewundern möchte, sollte die 'Pensão Chave d´Ouro' aufsuchen.

Nach einer Überfahrt mit der 'Mar Azul', die unseren Mägen besser bekam, als wir dachten, erreichten wir dann am dritten Reisetag unser Ziel - Santo Antão! Bei der Fahrt mit dem Aluguer von Porto Novo nach Ribeira Grande zeigt sich die Insel von ihren unterschiedlichsten Seiten, erst karge Steinwüste und dann, ganz plötzlich, offenbart sie sich von ihrer grünen, paradiesischen Seite. Der fruchtbare Norden Santo Antãos ist so ursprünglich, dass wir manchmal den Eindruck hatten, als müsse gleich ein Dinosaurier um die Ecke kommen.

Schon nach kurzer Zimmersuche waren wir erfolgreich und mieteten uns in der 'Pensão Dona Bibi' in Ribeira Grande ein, wo wir ein geräumiges Zimmer mit Balkon und Gemeinschaftsbad bewohnten. Überhaupt lernten wir die Kapverden als ein sehr leicht zu bereisendes Land kennen, die Zahl der Unterkünfte deckt die Nachfrage der Reisenden gut ab; mit dem Aluguer kommt man an fast alle für Wanderer interessanten Orte und lernt dabei Land und Leute kennen. Mit Grundkenntnissen in Portugiesisch kann man sich gut verständigen, und wenn’s mal nicht so klappt, kann man es immer noch mit Französisch versuchen. Die meisten Kapverdianer sind hilfsbereit; wir mussten manchmal schmunzeln, wenn Einheimische uns auf die Frage nach dem Weg diesen nicht lediglich zeigten, sondern gleich mitgingen. Auch mit den anderen Touristen kommt man sehr leicht in Kontakt, da es nur wenige gibt und man ja genügend Gesprächsstoff findet.

Unsere Wanderungen führten uns – wie wahrscheinlich alle Besucher Santo Antãos – u.a. nach Fontainhas, vom Cova-Krater nach Vila das Pombas, von Coculi nach Corda und zurück sowie zum Pico da Cruz. Ein interessantes Erlebnis hatten wir bei der Wanderung nach Vila das Pombas, wo einer unserer Mitreisenden ein Objektiv seiner Kamera liegen gelassen hatte. Kurz nachdem er den Verlust bei der Rückkehr in Ribeira Grande bemerkt hatte, bekam er es von einem Einheimischen zurück, der es von einem aus Vila das Pombas kommenden Aluguer-Fahrer erhalten hatte. Ein Beweis für die Ehrlichkeit der Santo Antãenser und dafür, dass es sich auf der Insel schnell herumspricht, wer im Tal von Paúl wandert und in Ribeira Grande wohnt: Hier ist die Welt eben noch in Ordnung!

Das Abendessen nahmen wir am liebsten im Restaurant 'Aliança' ein, wo wir den Rotwein stets eisgekühlt serviert bekamen; doch wie wir später in anderen Restaurants feststellten, scheint das auf den Kapverden wohl so üblich zu sein. Auch das Restaurant '5 de Julho' lernten wir für seine typische kapverdische Hausmannskost zu schätzen. Eine witzige Kneipe ist das 'Cantinho de Amizade', wo man seinen Grogue unter Bananenstauden genießen kann.

Schwer fiel uns der Abschied von dieser gigantischen Insel mit ihren grünen Tälern, schroffen Schluchten und den für die Inseln typischen bunten Häuschen. So beschlossen wir, zurückzukommen, um noch eine weitere Kapverde kennen zu lernen - São Nicolau.


Eineinhalb Jahre später, im Herbst 2002, besuchten wir die Insel, die sich uns nach einigen Regenfällen sehr grün präsentierte. Unserer Meinung nach wertet die Bezeichnung 'kleine Schwester Santo Antãos' São Nicolau etwas ab, das Gebirge ist zwar nicht so stark gefaltet wie das der 'großen Schwester', dafür besitzt die Insel ihren ganz eigenen Charakter und lässt sich wunderbar erwandern. Ribeira Brava, unser Domizil, wo wir in der 'Pensão Jumbo' wohnten, ist ein sehr freundliches Städtchen und gefiel uns sogar besser als Ribeira Grande auf Santo Antão. Das Gemeinschaftsbad des 'Jumbo' ließ zwar an Sauberkeit etwas zu wünschen übrig, ebenso der Gastraum. Die Zimmer selbst hingegen waren in Ordnung; leider haben von den sechs Zimmern nur zwei ein eigenes Bad und waren zum Zeitpunkt unserer Anreise schon besetzt.

Wir unternahmen Wanderungen in die nähere und fernere Umgebung Ribeira Bravas. Besonders gut gefielen uns die Täler von Fragatona und Covoada, wo es keine fahrbaren Wege gibt, und natürlich das 'Geisterstädtchen' Ribeira Funda, ein (fast) verlassener Fischerort; zu dem Zeitpunkt, als wir dort waren, soll eine Person in dem Dorf gelebt haben. Ein Highlight unter den Wanderungen war die Besteigung des Monte Gordo, von dem man eine tolle Aussicht in alle Richtungen der Insel hat. Beim Auf- und Abstieg mussten wir allerdings heftig gegen den Wind ankämpfen, was ohne Anorak ein recht unangenehmes Unterfangen gewesen wäre! Bei anderen Wanderungen führten uns die Wege auch durch mannshohes Gestrüpp, wofür lange Hosen – die wir allerdings nicht anhatten – empfehlenswert gewesen wären. So wurden unsere Beine und teilweise auch Arme sehr zerkratzt und Überreste des Gestrüpps befinden sich noch heute in unseren Socken – auch eine Art von Souvenir!

Ein echter kulinarischer Geheimtip auf São Nicolau ist das Restaurant 'Recanto' etwas außerhalb von Ribeira Brava. Man muss zwar entweder ein Stück mit dem Taxi fahren oder im Dunkeln zu Fuß gehen, wird dafür aber mit schmackhaftem Essen (z.B. Langusten), riesigen Portionen, günstigen Preisen und urigem Ambiente belohnt. Unbedingt lohnenswert! Eine weitere gute Adresse in Ribeira Brava ist ein namenloses Restaurant, das sich in der ersten Querstrasse nach der Dorfkirche links befindet und hauptsächlich von Einheimischen besucht wird. Das sicher etwas bekanntere 'Bela Sombra Dalila' eignet sich auch besonders gut fürs Frühstück.

Auch von São Nicolau konnten wir uns nur schwer trennen, der Insel, die im Vergleich zu Santo Antão leider immer etwas stiefmütterlich behandelt wird. Dem Wanderer liefert sie sogar schnellere Erfolgserlebnisse als die 'große Schwester'. Da die Berge nicht ganz so hoch sind, lassen sie sich leichter erklimmen, sind also auch für weniger geübte Wanderer geeignet. Außerdem ist es noch ruhiger als auf Santo Antão, auch die Erreichbarkeit spricht für São Nicolau, denn es gibt Direktflüge von Sal. Wobei es ein echtes Erlebnis ist, sich dem riesigen Bergrücken Santo Antãos auf dem Seeweg zu nähern. Am besten besucht man beide Inseln, allerdings braucht man dann etwas mehr Zeit, als wir sie in jeweils zwei Wochen hatten.

Ob die Kapverden nun Inseln der Glückseligkeit oder ein Kap ohne Hoffnung sind, hängt sicher davon ab, ob man als Tourist dorthin kommt oder für immer dort lebt. Gerade die Dinge, die die Inseln für die Einheimischen zum Kap ohne Hoffnung werden lassen – z.B. ganzjähriger Sonnenschein, mangelnde Industrie und Landwirtschaft unter erschwerten Bedingungen – machen sie für uns als Touristen zu einem Ort der Glückseligkeit, dessen Andersartigkeit es zu erkunden gilt. Viel Spaß dabei!
Arne Lund
1.7.2003