Maio - die noch schlafende Insel

Ende November 2002 war es wieder soweit, zwei Wochen Cabo Verde lagen vor uns. Wie immer hatten wir auch dieses Mal einige Tage erst auf Sal eingeplant, um uns von dem deutschen Stress zu erholen, bevor es weiter gehen sollte, dieses Mal nach Santiago und Maio.

Nach mehreren Flugverschiebungen in der Verbindung von Santiago nach Maio, hatten wir kurz vor unserem Abflug die endgültige Abflugzeit bekommen, verschoben von Mittwoch (war gestrichen worden) auf Freitag. Inzwischen gehört dies für uns zu einer Art Vorfreude auf Cabo Verde, zu meinen, es klappt nichts und dann vor Ort zu erfahren, es geht doch irgendwie.

So flogen wir am Donnerstagabend von Sal nach Santiago und hatten uns eigentlich darauf gefreut nach dem Einchecken im Hotel noch schön in Praia essen gehen zu können, aber durch die große Flugverspätung kamen wir erst um 22.00 Uhr im Hotel an, so dass die Unternehmungslust der Müdigkeit gewichen war.

Umso überraschter waren wir am nächsten Tag - der Weiterflug nach Maio ging erst am Abend - als wir mit dem Bus durch Praia fuhren und zuletzt auf dem 'Plateau' halt machten: das Straßenbild und die Geschäftsangebote hatten sich seit dem letzten Mal (vor 11 Monaten) verändert. Neue Straßen waren gebaut worden, bzw. im Bau, neue Häuser und Menschen, die weniger ärmlich erschienen; nicht ein einziges Mal wurden wir angebettelt und in den Geschäften war fast Alles zu bekommen.

Um 17.00 Uhr sollte es weiter gehen nach Maio, wieder Verspätung und unsere Sorge, dass der Flug ausfällt, da Maio nicht im Dunklen angeflogen werden kann.
Aber dann ging es doch noch los und zwanzig Minuten später landeten wir auf Maio.
Wir wurden von dem winzig kleinen Flughafen abgeholt und in der Abenddämmerung nahmen wir die ersten Bilder von Maio auf. Unsere Bungalowanlage 'Bela Vista', bestehend aus 22 Bungalows, einem Tennisplatz, Swimmingpool, Alles im Besitz eines Kapverders, direkt am kilometerlangen Sandstrand gelegen, war sehr schön. Wir waren aber die einzigen Gäste, trotz des niedrigen Preises für kapverdische Verhältnisse.

Überhaupt sahen wir in den Tagen auf Maio so gut wie keine Touristen und die da waren, kannte man: 3 Amerikaner, 2 Franzosen und 2 Deutsche.
Für die nächsten zwei Tage organisierte der 'Manager' unseres Hotels uns einen Jeep. Nun waren wir unabhängig, zumal wir feststellen mussten, dass öffentliche Aluguers sehr selten zwischen den Orten verkehren, wie es überhaupt kaum Autos auf der Insel gibt. Auf unseren Fahrten hielten wir immer wieder an, um Leute mitzunehmen, z.T. Schüler/innen, die 10 km lange Wege zur Schule zu Fuß zurücklegen mussten.

Unsere Fahrten führten uns die Westküste entlang nach Morro, Calheta, Morrinho, Cascabulho - die Erinnerungen an diese Orte sind verschwommen, keine dieser Ansiedlungen hob sich durch irgendetwas hervor, zusammengefasst kann man sagen: saubere, kleine Orte mit freundlichen, unaufdringlichen Menschen in denen nichts, aber auch wirklich gar nichts passierte; aber auch keiner zu hungern schien (durch Zuwendung von Verwandten im Ausland?).
Unsere Erkundungsfahrt zur Ostküste brachte uns nach Figueira da Horta, wo ein großes Kirchenfest stattfand. Die Dorfbevölkerung war in Sonntagskleidung und aus umliegenden Dörfern kamen die Menschen auf Lkws dazu. Wir hielten uns aber nur kurz im Dorf auf, da trotz der frühen Mittagsstunde man merkte, dass viele Männer schon zu viele Grogs genossen hatten. Über Schotterpisten gelangten wir weiter an einen Strand, wo sich eine größere Gruppe von Kindern und Jugendlichen, hauptsächlich Jungs, vergnügte.

Wir wurden in keiner Weise von ihnen gestört und es war eine Freude sie zu beobachten, wie sie mit dem „Nichts“ viel Spaß hatten: Angeln mit Rute mit Faden, Schwimmen, sich am Strand freundschaftlich Balgen, mit einer Dose Fußballspielen. In diesem Moment fragten wir uns, wer eigentlich die Armen sind, diese Kinder oder unsere Jugendlichen, die mindestens eine Hot-Dog-Bude, ein Surfbrett, ein Volleyballnetz etc am Strand brauchen und trotzdem nicht zufrieden sind.

Vila do Maio, die Hauptstadt von Maio. Dieser Ort unterscheidet sich nur von den anderen erwähnten Ansiedlungen dadurch, dass er etwas größer ist, ein vierstöckiges „Hotel“ hat, einige kleine Geschäfte, hauptsächlich Lebensmittel, vorhanden sind, und Sonntagabends auf der Straße am Hafen für zwei Stunden die Straßenbeleuchtung angestellt wird.

Von zwei Erlebnissen möchte ich am Schluss noch berichten: Wir gingen auf der „Hauptstraße“ entlang, die Menschen grüßten uns freundlich und wir überholten zu Fuß eine junge Frau mit einem Jungen an der Hand, einem circa 18 Monate alten Mädchen auf dem Arm und einem Bauch, der neuen Nachwuchs vermuten ließ. Plötzlich rief das kleine Mädchen in unsere Richtung zu Jochen „Papa, Papa“. Alle Anwesenden auf der Straße lachten, der Mutter war es eher unangenehm.

Zum anderen wurden wir beim Schlendern durch den Ort zu einer Feier am Samstagabend eingeladen. Die Haustür führte in einen 10qm großen Raum, in dem ein Regal, ein Tisch und einige Stühle standen. Es lief laute Musik und in dem blitzsauberen Raum befanden sich mindestens zwanzig Personen, sitzend und stehend im Alter von null bis achtzig Jahren. In der Mitte wurde getanzt, was aber für mehr als vier Personen unmöglich war. Uns wurden Getränke angeboten und man freute sich, dass wir für einige Zeit dabeisaßen.

Am nächsten Tag hieß es Abschiednehmen von Maio, einer, der nicht so schwer fiel – einige Tage Maio waren für uns genug. Zum einen hat Maio zwar viele Sandstrände, aber nicht die landschaftliche Schönheit von Boavista und zum anderen war das Leben mit dem „Nichts“ für uns doch sehr gewöhnungsbedürftig. Maio in zwanzig Jahren wird anders aussehen, wenn unter anderem die Flugverbindungen verbessert sind. So brauchten wir nach Sal zurück insgesamt sechs Stunden für 170 km Luftlinie und waren stolz auf die TACV und uns, dass der Rückweg so schnell ging.

Einige Tage Sal schlossen sich an und dann ging es heimwärts. Ein Abschied, der immer schwerer fällt. Die Sodade erfasste uns schon im Flugzeug, als wir einen letzten Blick auf Sal warfen, die dieses Mal einige grüne Punkte auf sich zeigte.

PS: Gerade erhielten wir das neue „Kap Verde Journal“, welches wir sofort „verschlungen“ haben. Der Bericht von Hilde und Jochen Krug fesselte uns, den wir mit unseren kapverdischen Erfahrungen so gut nachvollziehen können und das Engagement von Krugs bewundern. Aber in einem Punkt stockten wir, als von einer Ferienanlage zwischen Espargos und Santa Maria die Rede war, Name unbekannt. Der Name dieses Ortes ist „Murdeira“!

Wir haben uns dort eine Wohnung gekauft, verfolgen die Entwicklung dieser Anlage seit Jahren und werden im Sommer/Herbst diesen Jahres unsere Wohnung einrichten können.

Es ist ein Touristenghetto, ohne Frage, aber auch viele Kapverder haben dort Wohnungen und Häuser erstanden. So wird sich unsere Vierer-Reihe aus deutschen, italienischen und kapverdischen Nachbarn zusammensetzen.

In den vielen Jahren, in denen wir jetzt schon nach Cabo Verde reisen, haben wir inzwischen schon die verschiedensten Hotels und Pensionen auf Sal kennen gelernt und „satt“. Wie auch Ehepaar Krug schreibt, ist Sal sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückreise immer wieder eine notwendige Zwischenstation zu den internationalen Flügen. Gerne hätten wir uns etwas auf Boavista gekauft, aber wenn man nur höchstens zwei Wochen zur Verfügung hat, bedeutet das immer einen Abzug von ein bis drei Tagen Reserveaufenthalt auf Sal.

Wir haben uns diverse Wohnungen und Häuser auf Sal angeschaut, aber entweder stimmte das Preis-Leistungsverhältnis nicht oder die Abwicklung mit den kapverdischen Behörden schien uns zu schwierig. „Murdeira“ ist für uns eine Zwischenlösung, bis die Verbindungen zu den Nachbarinseln verlässlicher geworden sind.

Wir werden unsere Wohnung nicht vermieten, sondern sie nur guten Freunden zur Verfügung stellen, die zumindest ihre Einkäufe in Espargos tätigen und in einheimischen Restaurants Essen gehen werden und so einige Escudos bei Einheimischen im Land lassen werden.

Auch wir sehen mit Bedauern die Entwicklung in Santa Maria und kennen inzwischen viele Geschichten mit Hintergrund der Einheimischen.
Sal ist nicht Cabo Verde, es ist das Tor zu dieser einzigartigen Inselwelt und trotzdem mögen wir diesen „verdörrten Pfannekuchen“.

Wir hoffen, dass wir Cabo Verde mit gesammelten Spenden und unserem Fachwissen als Allgemeinmediziner und Sozialpädagogin (Behindertenpädagogik) von Nutzen sein können.

PS2: Die Bucht von „Murdeira“ ist nicht künstlich geschaffen, sondern eine natürliche Einbuchtung im Lavagestein mit mehreren kleinen Sandstränden.
Arne Lund
9.6.2003