Buchbesprechung „Reise auf die Kapverden“ (2010)

Deutschsprachige Reiseführer über die kapverdischen Inseln sind in den vergangenen Jahren häufig erschienen. Übersetzungen kapverdischer Autoren sind dagegen nur selten finden. Die Beschäftigung mit diesem Kulturkreis ist meist einer kleinen Gruppe von Sprachwissenschaftlern vorbehalten. Dabei hat der Archipel vor der Westafrikas eine durchaus lebendige Literaturszene vorzuweisen, die Beachtung auch außerhalb des portugiesischen Sprachraums verdient. Der bekannteste zeitgenössische Schriftsteller ist sicherlich der Rechtsanwalt Germano Almeida, der mit seinem 1991 erschienenen Buch „Das Testament des Herrn Napumoceno“ auch in Europa zahlreiche Leser gefunden hat. Doch auch in den Jahrzehnten zuvor lebten auf Kap Verde, 1975 von Portugal in eine wirtschaftlich schwierige Unabhängigkeit entlassen, Autoren mit großer Sprach- und Erzählkraft. Im Mittelpunkt ihrer Arbeiten standen die große wirtschaftliche Not der Menschen, die Hungersnöte, der Zwang zur Auswanderung und die Auseinandersetzungen mit der Kolonialmacht. Zu diesen Autoren gehörten unter anderem Baltasar Lopez da Silva (1907-1989) und Manuel Lopes (1907-2005), die zu den Mitbegründern der Zeitschrift „Claridade“ gehören. Diese Zeitschrift erschien zwischen 1936 und 1960 insgesamt nur neun Mal, bot aber die Chance, trotz Zensur eigene Themen aufzugreifen und – ganz wichtig – in Crioulo zu veröffentlichen und damit den Lesern Texte in der eigenen Sprache anzubieten und für ein kapverdisches Nationalbewusstsein zu werben.

Hans-Ulrich Stauffer, Rechtsanwalt, langjähriger Afrika-Kenner, Redakteur der Zeitschrift „Afrika-Bulletin“ (www.afrikakomitee.ch) und Honorarkonsul von Kap Verde in Basel, hat jetzt ein Buch zusammengestellt, in dem Texte unter anderem von Lopez da Silva und Lopez auch Almeida sowie Gabriel Mariano (1928-2002), Luis Romano (1922-2010) und Onesimo Silveira nachgedruckt werden. Ein Teil von ihnen ist bereits in dem in dem von Janheinz Jahn herausgegebenen Buch „Süss ist das Leben in Kumansenu und andere Erzählungen aus Westafrika“ (Tübingen 1971) und in dem von Helga Ahrens und Margret Ammann publizierten Band „Kapverdische Erzählungen“ (Frankfurt 1994) enthalten. Hier werden vier andere Texte zum ersten Mal in deutscher Sprache veröffentlicht. Dabei handelt es sich um jeweils zwei Beiträge von Germano Almeida und von Mario da Silva Matos (1927-2000). Die Mischung älterer und jüngerer Autoren macht den Reiz aus, denn so ist der Zugang zu Kap Verde, den Menschen, aber auch der Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln möglich.

Ergänzend wird eine Analyse der kapverdischen Literatur von Amilcar Cabral (1924-1973, Mitbegründer und langjähriger Generalsekretär der Unabhängigkeitsbewegung PAIGC) nachgedruckt. Darin beklagt er, dass nur eine Minderheit der Bevölkerung Zugang zu Kultur habe. Danach folgen drei frühe Reiseberichte von Charles Darwin (1832), Samuel Brunner (1838) und Immanuel Friedlaender (1912). Sie vermitteln einen Eindruck des Landes aus einer Zeit, in der Kap Verde in Deutschland kaum bekannt war. Der Beitrag des Romanisten Jürgen Lang über Cidade Velha (seit kurzem Teil des UNESCO-Weltkulturerbes) beschließt einen Sammelband, der eine gute Ergänzung gängiger Reiseführer ist. Vor allem aber machen die Texte Lust von mehr: Die weitgehend unbekannte Literatur der Kapverden verdient Beachtung.

Reise auf die Kapverden, Geschichten fürs Handgepäck,
hrsg. von Hans-Ulrich Stauffer,
Zürich: Unionsverlag, 2010;
219 S., ISBN 978-3-293-20509-3
10,90 Euro
Reinhard Küchler
17.11.2010