Fast 150 Jahre lang war Kap Verde ein bedeutender Salzproduzent und Exporteur in Westafrika. Der Salzabbau auf den Inseln Sal, Boa Vista und Maio war ein wichtiges, wenn auch bescheidenes Standbein der regionalen Wirtschaft. Heute ist die Salzproduktion fast zum Erliegen gekommen, es wird auf Sal nur noch zum eigenen Bedarf und für einen ganz geringen Export verarbeitet. Salz war schon im 17. und 18. Jahrhundert (und vermutlich früher) ein wichtiges Exportgut der Inseln. Damals liefen vor allem britische Kapitäne Maio und Boa Vista an, um sich dort vor ihrer Überfahrt in die Karibik und nach Südamerika mit Salz einzudecken. Vor allem die Bewohner von Boavista lebten zu dieser Zeit vom Export des Salzes nach Westafrika und Brasilien. Der Handel wurde über den Hafen von Sal-Rei (König Salz) abgewickelt, der Nachschub kam aus zwei Salinen im Nordosten der Insel und bei Sal-Rei, die heute teilweise versandet sind. Auch auf Maio war der Salzhandel ausgeprägt: Zeitweise legten in Vila do Maio bis zu 100 Schiffe im Jahr an, um Salz aus den beiden Salinen im Nord- und im Südwesten zu kaufen. Am Export verdienten vor allem englische Händler, sie exportierten das Salz bis nach Argentinien. (1) Nach seinem Besuch auf Kap Verde 1958 schrieb der österreichische Geograph Josef Matznetter, die Salinen auf Boa Vista und Maio gehören zahlreichen Einzelbesitzern oder sind Familien zur Nutzung überlassen. Ihr im Vergleich zu den Salzgärten auf Sal bescheidener Ertrag dient teils der Deckung des Lokalbedarfs, teils wird er nach Port. Guinea, Gambia und Dakar weitergehandelt. (2) Heute sind die Salinen größtenteils stillgelegt.
Die professionelle Ausbeutung der Salzvorkommen auf Sal begann zwischen 1830 und 1833. Etwa 30 bis 40 Jahre zuvor sollen aber schon etwa 70 Menschen auf der Insel vom Salzabbau (und dem geringen Handel damit) gelebt haben. (3) Zunächst gründete der Portugiese Manuel Antonio Martins Velho (4) den Ort Santa Maria an der Südspitze der Insel Sal, um dort die natürlichen Salinen betreiben zu können. Angeblich waren die ersten Arbeitskräfte Sklaven aus Westafrika, die in kleinen Holzhütten untergebracht waren. Später folgten ihnen Arbeiter von Boa Vista, ihre Zahl soll um 1840 mehr als 600 betragen haben. (5) Das Wasser in den Salinen nördlich des Ortes wurden mit Hilfe von Windrädern abgepumpt, das gewonnene Salz anschließend von Segelloren mit einer Kapazität von jeweils ein bis zwei Tonnen zum Steg (Pontão) von Santa Maria gebracht und auf die vor Anker liegenden Schiffe transportiert. Die Loren wurden bis in die 1950er Jahre genutzt, danach wurden Traktoren eingesetzt. (6) Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sollen jährlich bis zu 30.000 Tonnen Salz von dort exportiert worden sein. Es wurde vor allem zur Konservierung von Lebensmitteln und als Ballast in den Schiffen verwendet. Hauptabnehmer des Salzes war Brasilien, doch 1887 wurden die Zölle zum Schutz der eigenen Produktion angehoben und der Salzhandel brach zunächst weitgehend zusammen.
1903 schlossen sich die größten Salzproduzenten von Santa Maria mit einer französischen Gesellschaft zur Societe Salines Sal (SSS) zusammen. Sie bauten eine Fabrik zur Extraktion von Magnesium aus dem Salz. Allerdings ging das Unternehmen 1907 bankrott. In Santa Maria wurden die Menschen arbeitslos, viele hungerten und wanderten in die portugiesische Kolonie São Tome e Principe im Golf von Guinea aus. Bis 1914 beteiligte sich für kurze Zeit eine deutsche Firma an der Salzgewinnung, 1920 übernahm das portugiesische Unternehmen Compania do Fomento die Mehrheit an den Salinen bei Santa Maria und lieferte ab 1927 Salz bis nach Belgisch-Kongo (heute Kongo-Kinshasa) sowie nach Portugiesisch-Guinea (heute Guinea-Bissau). Der Ort blühte in den kommenden Jahrzehnten auf, es wurden neue Häuser gebaut, die Einwohnerzahl nahm zu. Heute ist vom Salzhandel nur noch wenig zu sehen - der alte hölzerne Steg wurde abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Das lange Zeit fast baufällige Waagehaus ist inzwischen jedoch renoviert worden und dient jetzt dem Souvenirhandel. Bis vor wenigen Jahren waren auf dem alten Steg noch die Schienen zu sehen. (7)
Um 1830 (andere Quellen nennen das Jahr 1838) begann Manuel Antonio Martins mit der Ausbeutung der kurz zuvor entdeckten Salzvorkommen im Krater von Pedra Lume. Der Krater eines ehemaligen Vulkans ist auf einer Fläche von etwa 40 Hektar fast überfall mit einer bis zu 60 Meter dicken Salzschicht bedeckt. Über Bohrungen wurde Meerwasser in den Krater geleitet, das nicht nur den Salzhaltigen Boden auslaugte, sondern während des etwa dreimonatigen Verdunstungsprozesses zusätzlich Salz zurücklässt. Mit dem Einsatz von Windrädern sowie von Packtieren auf dem Weg zum Hafen konnte die Menge des exportierten Salzes immer weiter gesteigert werden. Mit Hilfe von Schüttelrosten wurde das Salz verkleinert und nach Größe in Säcke abgepackt. 1919 übernahm ein Geschäftsmann aus Santa Maria gemeinsam mit einer französischen Gesellschaft die Anlage von den Erben Martins. 1922 wurden ein Tunnel und eine Seilbahnanlage mit einer Länge von etwa 1.100 Metern gebaut, um das Salz schneller zum Hafen transportieren zu können. So konnten bis zu 25 Tonnen pro Stunde befördert werden. In der Blütezeit waren hier mehrere hundert Arbeiter beschäftigt. Das Salz wurde jetzt vor allem in die französischen Kolonien in West- und Zentralafrika exportiert. (8) Die 1918 in Bordeaux registrierte Gesellschaft mit einem Kapital von fünf Millionen alten Franc gab zumindest bis Mitte der 1920er Jahre Aktien aus, die teilweise noch heute von Sammlern alter Wertpapiere gekauft werden. Etwa gegen Ende der 1950er Jahre arbeiteten etwa 500 Menschen in der Saline von Pedra Lume, die Eisenkähne konnten jeweils 50 Tonnen Salz zu den Schiffen im Hafen transportieren. (9)
Mitte der 1950er Jahre schrieb Josef Matznetter über die wirtschaftliche Lage auf Kap Verde: Größere Bedeutung kommt (...) der Salzgewinnung auf den drei östlichen Inseln zu, wobei vor allem von den beiden Salinen der Insel Sal weite Gebiete West- und Zentralafrikas beliefert werden. (10) Für das Jahr 1955 gab Matznetter die Salzproduktion auf Kap Verde mit 78.642 Tonnen an. Ein Jahr später sank nach seinen Angaben die Produktion allerdings auf 21.974 Tonnen. (11) Der Export war gleichwohl sehr hoch: Ralph von Gersdorff nannte für das Jahr 1955 die Zahl von 17.100 Tonnen. (12) Immerhin gab es weiterhin ausreichend Salz. Denn als 1956 der österreichische Schriftsteller Ernst A. Zwilling die Insel Sal besuchte, sah er in Santa Maria noch die riesigen Salzberge in den Salinen, selbst die Straßen des Ortes waren mit Salz bestreut. (13)
Mit der Unabhängigkeit von Belgisch-Kongo sowie anderer afrikanischer Staaten 1960 und dem zunehmenden Druck auf Portugal wegen seiner Kolonialpolitik kam der Salzhandel mit dem Kontinent jedoch fast vollständig zum Erliegen. Hinzu kamen gestiegene Kosten für die Fracht und Ersatzteile. (14) Nach 1986 (andere Quellen nennen das Jahr 1984) wurde die Produktion wegen schlechter Exportaussichten und Überalterung der Anlagen eingestellt. (15) In den folgenden Jahren wurde Salz nur noch zur Eigenproduktion abgebaut, angeblich soll es sich dabei aber immerhin um eine Menge von etwa 7.000 Tonnen pro Jahr gehandelt haben. Bord Held berichtete 1988, dass die maximale Jahreskapazität von Pedra Lume noch 25.000 Tonnen betrug und Exporte nach Guinea-Bissau, Niger, Zaire (das frühere Belgisch-Kongo), in die Zentralafrikanische Republik und den Tschad durchgeführt wurden. (16) Nach Angaben des Autors gehörte die Saline noch immer der französischen Gesellschaft Salines du Cap Vert, die mit etwa zwei Dutzend Mitarbeitern nur noch zur Erhaltung ihrer Schürfrechte hier Salz fördert. (17) Ergänzend schrieb Rolf Osang 1991, die Salzmühle in Pedra Lume werde nur ab und zu in Betrieb genommen, um die Besitzrechte der Gesellschaft an Saline, Ort und Hafen zu wahren. Verhandlungen über einen Verkauf an eine Interessengemeinschaft seien bisher erfolglos geblieben. 1991 hätten zudem die portugiesischen Besitzer der Salinen von Santa Maria ihre ausstehenden Pachtzinsen gezahlt und sich so den Fortbestand ihrer Rechte gesichert. Bemühungen des Staates, Steg und Waagehaus (...) zu enteignen, wurden abgeblockt. (18) Vor einigen Jahren konnte ein italienischer Unternehmer den Ort Pedra Lume und die Saline übernehmen - seitdem wird hier noch in bescheidenem Umfang Salz in 25-Kilo-Säcke abgepackt. Gleichzeitig wird auch der Versuch gemacht, neben der touristischen Darstellung zusätzlich gesundheitsbewusste Besucher zum Baden anzulocken. Ob dieses Angebot Erfolg versprechend sein wird, muss die Zukunft zeigen. (19)
Jahr Menge (in Tonnen)
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1955 78.642
1956 21.974
1967 20.250
1971 32.937
1972 36.000
1973 18.000
1982 2.000
1983 10.000
1984 9.000
1985 6.000
1986 5.000
1988 (?) 25.000 (nur Pedra Lume)
Quellen
Josef Matznetter: Die Kapverdischen Inseln, Sonderdruck aus Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft Wien, Band 102, Heft I, 1960, S. 35 (Zahlen der Jahre 1955 und 1956); Klett Handbuch für Reise und Wirtschaft, Afrika, Band 1 (West- und Zentralafrika), Stuttgart 1971, S. 107 (Angabe für 1967); Bibliographisches Institut/Meyers Lexikonverlag: Schlag nach Afrika, Mannheim 1976, S. 90 (Zahlen der Jahre 1971 und 1972); Josef Schramm: Westafrika, Buchenhain o.J. vermutlich 1974, S. 59 (Zahl vermutlich für 1973); Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Länderbericht Kap Verde 1990, Stuttgart 1990, S. 52 (Zahlen der Jahre 1982 bis 1986). Für 1984 gibt Holger Matthews abweichend einen Export von 9.670 Tonnen Salz an (Holger Matthews: Kapverdische Inseln, Zürich 1989, S. 168). Ob die Menge von 25.000 Tonnen im Jahr 1987 oder 1988 allerdings nur für Pedra Lume zutrifft, muss bezweifelt werden (vgl. Holger Matthews, S. 244). Hier handelt es sich möglicherweise um die maximale Jahreskapazität, von der Bord Held berichtet.
Anmerkungen
1) Holger Matthews: Kapverdische Inseln, Zürich 1989, S. 268
2) Josef Matznetter: Die Kapverdischen Inseln, Sonderdruck aus Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft Wien, Band 102, Heft I, 1960, S. 35
3) Rolf Osang: Kapverdische Inseln, Köln 1991, S. 64
4) Martins lebte von 1772 bis 1845. Er soll um 1820 nach Boa Vista gekommen sein. Dort sah er, dass sich die Kapitäne vorbeifahrender Schiffe in den Salinen bedienten, ohne Geld dafür zu zahlen. Deshalb erklärte der offenbar geschäftstüchtige Martins, er sei der Besitzer des Salzes. In den folgenden Jahren baute er den Handel mit Salz auf Boa Vista immer weiter aus und kam offenbar auf der Suche nach weiteren Salzlagerstätten auf die benachbarte Insel Sal. Möglicherweise war Martins von 1834 bis 1835 Gouverneur von Kap Verde.
5) Rolf Osang a.a.O., S. 68
6) Susanne Lipps, Oliver Breda: Kapverdische Inseln, Ostfildern 2005 (2. Auflage), S. 64
7) Abbildung bei Bord Held (Hrsg.): Kapverdische Inseln, Band 1, Essen 1988, S. 70
8) Regina Fuchs: Cabo Verde, Bielefeld 2001, S. 261 f.
9) Bord Held, a.a.O., S. 72 f.
10) Josef Matznetter: Studienreise nach den Kapverdischen Inseln 1958, Sonderdruck aus Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft Wien, Band 100, Heft III, 1958, S. 278
11) Josef Matznetter, 1960, S. 35
12) Ralph von Gersdorff: Artikel über Kap Verde in: Angola, Bonn 1960, S. 146
13) Ernst A. Zwilling: Angola-Safari, Mödling bei Wien, vermutlich 1958, S. 29-35
14) Regina Fuchs, a.a.O., S 257 f.
15) Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Länderbericht Kap Verde, Stuttgart 1990, S. 51
16) Bord Held, a.a.O., S. 73
17) Bord Held, a.a.O., S. 72
18) Rolf Osang, a.a.O., S. 65 f.
19) Pitt Reitmeier, Lucete Fortes: Cabo Verde - Kapverdische Inseln, Bielefeld 2007 (4. Auflage)
11.12.2008