Der Kapverdenrohrsänger (Acrocephalus brevipennis) auf Fogo

Ein kleiner, relativ unscheinbarer Singvogel schmückt auf den Kapverdischen Inseln die 1.000-Escudos-Banknote. Die wenigsten wissen jedoch, dass es sich dabei um einen der seltensten Vogelarten unserer Erde, den endemischen Kapverdenrohrsängers Acrocephalus brevipennis, handelt.

Als Verbreitungsgebiet waren bisher nur die Inseln Santiago, São Nicolau und Brava bekannt (BirdLife International 2004). Dabei sorgte vor allem São Nicolau Ende der 1990er Jahre für Schlagzeilen. Nachdem ein 1970 auf São Nicolau für wissenschaftliche Zwecke gesammeltes Exemplar der dort zuletzt 1924 nachgewiesenen Art in einer Lissaboner Sammlung entdeckt worden war, wurde im Februar 1998 bei ornithologischen Untersuchungen der Rohrsänger wiedergefunden (Hazevoet et al. 1999). Weitere Untersuchungen in den Jahren 2001 und 2003 zeigten jedoch, dass die Art auf der Insel vermutlich nur an drei Stellen mit maximal zehn Brutpaaren vorkommt (Donald et al. 2004). Auf Brava, der dritten Insel mit einem Vorkommen, gelang 1969 der letzte Nachweis des Rohrsängers (Frade 1976, Hazevoet 1993, 1995). Dagegen brüten heute auf Santiago noch etwa 500 Paare. Der Bestand gilt allerdings auch hier durch starken Lebensraumverlust als nicht gesichert.

Wir besuchten die Kapverden erstmals im Oktober 2004, um u. a. den Kapverdenrohrsänger auf Santiago kennen zu lernen. Zunächst wollten wir jedoch auf Fogo den dortigen Vulkan besteigen und Daten zur wenig bekannten Vogelwelt der Insel sammeln. Dabei exkursierten wir auch im tropisch grünen Norden der Insel. Als Ausgangspunkt wählten wir am 18.10.2004 die kleine Ortschaft Pai António, von wo aus ein schmaler Wanderweg zu der ca. 1.700 m hoch gelegenen Chã das Caldeiras führt. Auf Grund der hier vorgefundenen üppigen Vegetation, geprägt von Kaffee- und Maiskulturen mit einzelnen Obstbäumen und mit Gestrüpp verwachsenen engen Schluchten, kamen wir auf die Idee, mit Zuhilfenahme einer Klangattrappe (Tonband), Gesangsaufnahmen von Acrocephalus brevipennis abzuspielen. Warum sollte eigentlich der Rohrsänger hier nicht vorkommen? Der Lebensraum schien geeignet. Und wirklich, bereits der erste Versuch unmittelbar am südlichen Ortsrand hatte den gewünschten Erfolg. Sofort wurden zwei Vögel animiert, wobei ein Individuum zur Absicherung der Beobachtung gefangen und fotografiert wurde. In den nachfolgenden Tagen konnten wir in dieser Region insgesamt 32 Männchen kartieren. Die Sensation war perfekt – der Kapverdenrohrsänger lebt noch auf einer weiteren Insel (Hering & Hering 2005, 2006).

Nachdem wir zur Jahreswende 2005/2006 mit unseren Freunden Erika Seifarth und Ralf Pilz das Vorkommensgebiet auf Fogo erneut bestätigen konnten, fand im Herbst 2006 eine von der Deutschen Ornithologischen-Gesellschaft finanziell unterstützte Forschungsreise statt. Ziel war es, die wirkliche Verbreitung und Häufigkeit sowie die Lebensraumansprüche der Vogelart auf dieser Insel zu ermitteln.

Das Forscherteam, bestehend aus Jens Hering und Elmar Fuchs, erlebte dabei erneut eine Überraschung. Es wurden im Oktober 2006 bei der mit GPS durchgeführten Kartierungsarbeit 129 Reviere gefunden. Betrachtet man nun die geeignete Fläche an Kulturland mit Kaffee- und Obstplantagen, die dem Kapverdenrohrsänger im Norden von Fogo zur Verfügung steht, kann bei vorsichtiger Schätzung sogar von einem Brutbestand von 500 Brutpaaren auf dieser Insel ausgegangen werden.

Weiterhin zeigte eine umfassende Analyse des Lebensraumes, dass der Rohrsänger insbesondere in Kaffeeplantagen mit großen Fruchtbäumen und -sträuchern vorkommt. Neben dem dominanten Kaffee sind weitere eingeführte Nutzpflanzenarten, vor allem Mais vorherrschend. In dem montan gelegenen Aufforstungsgebiet am Monte Velha konnte er dagegen nicht nachgewiesen werden.

Auf Grund des heute bekannten Vorkommens des Kapverdenrohrsängers auf Fogo vermuten wir, dass die Art schon vor der menschlichen Besiedlung (häufig) auf dieser Insel verbreitet war. Nach der Kultivierung durch den Menschen fand er schließlich in den Kaffeeanpflanzungen einen geeigneten Ersatzlebensraum für die weitgehend verlorengegangene ursprüngliche Vegetation. Letztendlich hängt aber die Zukunft des Kapverdenrohrsängers auf Fogo von dem Erhalt der Kaffeekultur und Beibehaltung der derzeit von noch praktizierten, extensiven Bewirtschaftungsweise ab.

Die umfangreichen Ergebnisse der 2006 stattgefundenen Forschungsreise können demnächst in einem wissenschaftlichen Beitrag in einer der Zeitschriften der Deutschen Ornithologischen-Gesellschaft nachgelesen werden.

Literatur

BirdLife International (2004): Threatened Birds of the World. CD-ROM.

Donald, P.F., R. Tayler, M. de Ponte Machado, M.J. Pitta Groz, C.E. Wells, T. Marlow & S.M. Hille (2004): Status of the Cape Verde Cane Warbler Acrocephalus brevipennis on São Nicolau, with notes on song, breeding behaviour and threats. Malimbus 26: 34-37.

Frade, F. (1976): Aves do Arquipélago de Cabo Verde (Colecção do Centro de Zoologia da J.I.C.U.). Garcia de Orta (Zool.) 5: 47-58.

Hazevoet, C.J. (1993): On the history and type specimens of the Cape Verde Cane Warbler Acrocephalus brevipennis (Keulemans, 1866) (Aves, Sylviiddae). Bijdr. Dierk. (Amsterdam) 62: 249-253.

Hazevoet, C.J. (1995): The birds of the Cape Verde Islands. BOU Check-list 13. British Ornithologists’ Union, Tring.

Hazevoet, C.J. (1999): Notes on birds from the Cape Verde Islands in the collection of the Centro de Zoologia, Lisbon, with comments on taxonomy and distribution. Bull. Brit. Ornithol. Club 119: 25-31.

Hering, J. & H. Hering (2005): Discovery of Cape Verde Warbler Acrocephalus brevipennis on Fogo, Cape Verde Islands. Bull. ABC 12, 147-149.

Hering, J. & H. Hering (2006): Kapverdenrohrsänger Acrocephalus brevipennis auf Fogo entdeckt. Vogelwarte 44: 46.

Kontakt

Jens und Heidi Hering, Wolkenburger Straße 11, D-09212 Limbach-Oberfrohna, E-Mail
Arne Lund
26.9.2007