Kapverdische Geschichte: Ein Schriftsteller zu Besuch auf der Insel Sal im Jahr 1956

Im Jahr 1956 brach der österreichische Reiseschriftsteller und Jäger Ernst A. Zwilling zu einem mehrmonatigen Besuch von Portugiesisch-Westafrika, dem heutigen Angola, auf. Auf dem Frachter „Svealand“ fuhr er von Hamburg über Lissabon, die kapverdische Insel Sal, Dakar und Matadi nach Luanda. In seinem Buch „Angola-Safari“ (Mödling bei Wien, ohne Jahrgang, vermutlich 1958) beschrieb er seine Reiseerlebnisse. Hier wird - in Auszügen - sein Bericht über den zweitägigen Aufenthalt auf Sal (S. 29 - 35) wiedergegeben. Seinen Wertungen kann man heute nicht mehr zustimmen, seine Beobachtungen und Einschätzungen sind gleichwohl aus der damaligen Zeit zu erklären.

Zwei volle Tage liegen wir vor Sal und laden Salz für Belgisch-Kongo. Schon öfter bin ich an den Kapverdischen Inseln vorbeigefahren, aber zum ersten Mal betrete ich jetzt den Boden einer dieser südlichsten Inseln des Nordatlantik. Der Frachter liegt auf der Reede von Santa Maria vor Anker. In steter Reihenfolge kommen Lastboote voll mit Salzladungen. Mehrere Dutzend schwarzer Hände verladen die prallgefüllten Salzsäcke auf unser Schiff.

Santa Maria besteht aus etwa zwanzig weißgekalkten Häusern, einer kleinen Wharf und ist der geschützte Hafenort der flachen und sandigen Insel Sal. Wenn hier kein Flugplatz wäre, würde die Bedeutung von Sal nur in der Meersalzgewinnung liegen. So aber ist die Insel Flugstützpunkt für den Südamerikaverkehr und hat dadurch die Zahl der europäischen Bewohner in den letzten Jahren verdoppelt. Heute teilen sich dreihundert Portugiesen und Franzosen und über tausend Neger und Mulatten den Platz auf dieser trostlosen kleinen Insel. Salzgewinnung, Schiffahrt und Flugplatz - das heißt Arbeit und Brot für jeden von ihnen.

Als die „Svealand“ den 2.000 Kilogramm schweren Anker auf der Reede vor Santa Maria niederrasseln ließ und ich am frühen Morgen aus dem Fenster meiner Kabine herausblickte, glaubte ich eine kleine Siedlung in der Wüste vor mir zu haben. (...) Kein Baum, kein Strauch; statt dessen Sand, Wind und Meeresbrandung und das ganze Jahr über wolkenloser Himmel. Seit Jahrzehnten beträgt der Jahresdurchschnitt an Niederschlägen 6 Millimeter, also praktisch regnet es fast nie. Dafür bilden sich über den Kapverdischen Inseln gern Zyklone, die weiterziehen, einen immer größeren Umfang annehmen und im Westatlantik der Schiffahrt gefährlich werden.

Ich gehe an Land (...). In der einzigen Bar von Santa Maria trinke ich ein deutsches Exportbier. Ein Portugiese hat mich dazu eingeladen, den ich kurz zuvor kennenlernte. Wirklich, die Zuvorkommenheit und Gastfreundschaft dieser stolzen Menschen ist groß. Mein Begleiter hat einen Wagen, einen alten, doch stabilen Kasten. Mit dem fahren wir ein paar Kilometer in die Wüste hinein. Dann zu den großen Anlagen, die für die Meersalzgewinnung errichtet wurden. Primitive Bodenmulden strecken sich in Reih und Glied zwischen langen Dämmen aus. Einige sind vollgepumpt mit salzigem Meerwasser, bei anderen haben Sonne und Hitze die Verdunstung schon besorgt, und am Boden der Mulde haben sich blendend weiße, grobe Salzkristalle gesammelt. Überall zwischen den Kanälen, Dämmen du Mulden liegen riesige Salzberge; Meeressalz, das hier gewonnen wurde und nun auf den Abtransport harrt. Es kann liegen bleiben, kein Regen gefährdet es. Es gibt viele Jahre, in denen nicht ein einziger Regentropfen fällt, wie mir mein Begleiter versichert.

Eine trostlose Insel! Überall Salz, selbst die holperigen Straßen von Santa Maria sind damit bestreut. „Wovon leben die Leute hier denn eigentlich?“ frage ich, als wir zur Stadt zurückfahren. Weit und breit sind weder Felder noch Gemüsegärten zu sehen. Mein Begleiter weist aufs Meer. „Hauptsächlich von Fischen. Und was man sonst noch braucht, wird von den umliegenden Inseln eingeführt.“ Wir besichtigen die Konservenfabrik. Schwarze Frauen legen riesige, dicke Thunfischscheiben, die sauber gekocht auf Gestellen liegen, in große runde Dosen mit leuchtenden Aufschriften. Eine andere Arbeitsgruppe füllt die Dosen mit Olivenöl, ruhig und sorgsam. Die Frauen sind alle sauber gekleidet. Ihre Hautschattierungen weisen alle Nuancen auf. Viele der Mulatinnen sind ausgesprochen hübsch. Und dann geht es zurück an Bord. Im Gegensatz zu den Leuten an Land, die bescheiden und unaufdringlich waren, finde ich hier eine sehr vorlaute Gruppe von Schwarzen. Diese dunkelhäutigen Arbeiter und Bewunderer des Schiffes klauen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Sie machen dabei weder Halt vor den Ventilatoren in den Kabinen noch vor Teilen des Schiffskompasses oder des Sonnenbestecks. Verständlich, dass die Schiffsbesatzung sie mehr fürchtet als Elstern.

(...) Seltsamerweise essen die Eingeborenen auf den Kapverdischen Inseln keinen Haifisch, obwohl er um Santa Maria sehr häufig ist und hier sogar in mehreren Arten vorkommt. (...) 750 Tonnen Salz, 50 Eisenbahnwaggon mit Salzsäcken, verschwinden im Bauch unseres Frachters. Stürmische See kommt auf, als wir den Anker lichten.
Arne Lund
26.12.2006